Offener Brief von Daniel Dobbelstein an Ministerin Gebauer und Ministerpräsident Wüst zur Coronalage in Schulen und Kindertagesstätten
Offener Brief von Daniel Dobbelstein an Ministerin Gebauer und Ministerpräsident Wüst zur Coronalage in Schulen und Kindertagesstätten
Sehr geehrte Frau Ministerin Gebauer,
sehr geehrter Herr Ministerpräsident Wüst,
die aktuelle Coronalage, besonders in den (größtenteils) ungeschützten Grundschulen und Kindergärten, ist der Grund meines heutigen Schreibens.
Ich fordere Sie hiermit auf, umgehend alle Einrichtungen zu schließen, solange nicht mindesten drei PCR-Testungen pro Woche für alle Kinder (tagesaktuell) möglich sind.
Die Zahlen sind eindeutig1. Das Fehlen einer Pandemieprävention in KiTas und Grundschulen hat sich des Öfteren in den letzten zwei Jahren gerächt. Angesichts der Heftigkeit der Omikron-Wand wird es nun in einem Maße offenbar, dass man auch als rationaler Mensch das kalte Grausen bekommt.
Ich erinnere mich noch an Flatterbänder² auf Spielplätzen, die Dreijährigen zum Schutz für alte Personen den Verzicht auf den Spielplatzbesuch abverlangten. Zwei Jahre lang wurden die Kinder „weggesperrt“ – zeigten sich solidarisch – übten Verzicht.
Heute wird es Zeit, dass Sie endlich den Schutz des letzten Personenkreises, für den es keine (Stiko empfohlene) Impfung gibt³, ernst nehmen. Den der Kinder bis 11 Jahre. Bereits für die Omikron-Variante gab es Hinweise, dass diese eine größere Bedrohung für Kinder und Kleinkinder ist. Die einzelne Erkrankung erscheint weniger schwer4. Die Tatsache, dass eine Durchseuchung vor einem sichernden Impfangebot zu erwarten ist, macht die Bedrohung jedoch größer. Die sich gerade massiv in u.a. Dänemark und England ausbreitende Subvariante B25 scheint jedoch für Kinder auch im Einzelfall bedrohlicher zu sein.
Solange nicht sichergestellt ist, dass diese Variante ähnlich ungefährlich ist, wie erste Varianten des Virus, muss die Durchseuchung sofort gestoppt werden. Auch hier möchte ich Sie an das Jahr 2020 erinnern: Flatten the curve. Oder nun besser – Break the wall.
Lassen Sie nur noch so viele Kinder in die Schulen, wie durch PCR-Testungen eine Verbreitung in den Klassenverbänden ausgeschlossen werden kann. Dies bedingt tagesaktuell ausgewertete Pooltests. Poolauflösungen spätestens am Folgetag. Und das ganze an mindestens drei Tagen der Woche. Der Abstand von Mittwoch bis Montag oder Donnerstag bis Dienstag ist nicht erst seit Omikron deutlich zu lang (vgl. hier die Inzidenzen in der letzten Delta-Welle).
Bis dahin dürfen nur geimpfte und genesene Kinder zum Präsenzunterricht erscheinen. Die Fristen, solange diese gelten, müssen regelmäßig überprüft und angepasst werden. Die Unsinnigkeit nur Sitznachbarn (oder weniger) in Quarantäne zu schicken, muss ebenfalls beendet werden. Der überfällige Ausbau der PCR-Kapazitäten darf nicht weiter mit Scheinargumenten hinausgezögert werden. Das Aerosol verteilt sich erratisch im Raum. Es handelt sich nicht um eine Tröpfcheninfektion der Sitznachbarn. Dies ist seit langem bekannt7.
Ich fordere Sie daher auf, umgehend
- in alle Klassen einen Luftfilter zu stellen. Keine komplexen Förderprogramme, sondern einfachste pauschale Bereitstellung von Haushaltsmitteln für die Anschaffung pro Klassenraum.
- Täglich frische FFP2-Masken kostenfrei für alle Kinder, Erzieher:innen und Lehrer:innen
- die PCR-Testkapazitäten immens auszuweiten. Lernen wir von Wien und bauen im Ruhrgebiet, Köln/Bonn und ähnlichen großen Zentren Gurgeltestauswertungen auf. Es ist leider zu befürchten, dass die endemische Lage, insbesondere für einzelne Altersgruppen, noch Jahre auf sich warten lassen könnte. Einer sicheren Wiederaufnahme des gewohnten Schulbetriebs und des Wirtschaftslebens wäre dies sehr dienlich.
- Teststrategie mit transparenter (also wissenschaftlich fundierter) Quarantäneregelung zu definieren.
- Kohortierungen und Wechselunterricht einzuführen.
- zentrale, Open Source basierte, digitale Unterrichtsangebote, die auch nach der Pandemie noch einen Mehrwert haben werden, für alle Unterrichtsformen bereitzustellen.
- Präsenzunterricht nur noch unter 2G durchzuführen, bis Sie endlich andere Schutzmechanismen auf den Weg gebracht haben.
Auch als Vater muss ich Ihnen sagen: Wir Eltern haben die Schnauze voll! Keine offene Kommunikation, keine einzige substanzielle Idee, um endlich mal vor die Lage zu kommen. Und seit nun die Bundesregierung gewechselt hat, bleibt es nur noch beim Narrativ „Die Anderen sind schuld“.
Mir ist es vollkommen egal, wer die PCR-Kapazitäten versaut hat. Ob Herr Lauterbach im Dezember zu wenig Laborequipment bestellt hat oder ob Herr Spahn den Personalmangel nicht früh genug angegangen ist.
Sie haben die Verantwortung für einen sicheren Regelbetrieb in NRW. Und Ihre Antwort war bisher, ausschließlich darauf zu hoffen, dass keine Mutation kommt, die für Kinder gefährlich ist. Diese Hoffnung scheint nun ins Wanken zu geraten. Ich – und niemand mit Kindern in dem betroffenen Alter – möchte den Beweis jedoch in einem Feldversuch erbracht bekommen.
Sie haben nach einem halben Jahr endlich eine neue Mindestsicherheit bei den PCR-Einzeltests angekündigt. Kaum zwei Wochen hat es gehalten. Nun wollen Sie Kinder, die definitiv erkrankt sind, einen Tag später in die Klassen zu einem Schnelltest holen. Und dessen Ergebnis ist weit weniger valide als der, der bis zum Jahreswechsel verwendet wurde. Das Ergebnis zeigt sich schon heute in vielen Schulen: Da alle Schnelltests negativ ausfallen, nehmen auch alle Kinder am Unterricht teil, obwohl mindestens ein Kind PCR-bestätigt erkrankt ist. Diese Situation ist absurd.
Sie haben sich wählen lassen, um etwas zu bewegen. Hören Sie mit dem Fingerzeigen auf und übernehmen Sie Verantwortung.
Schützen Sie die Kinder – hängen Sie dieses Mal Flatterband um unsere Kinder zu schützen auf, statt auf Spielplätzen.
Und wenn Sie sich sicher sind, dass eine Durchseuchung der vertretbare richtige Weg ist: Sagen Sie es offen, belegen Sie es mit wissenschaftlichen Daten und seien Sie ehrlich.
Dieses Gaslighting, einerseits kranke Kinder in die Schulen zu schicken zum unzuverlässigen Schnelltest, während man andererseits bestreitet, in der Altersgruppe eine Durchseuchung voranzutreiben, macht uns Eltern fertig. Seit dem 14.01. liegt die Inzidenz bei den 0-9 jährigen1 über 1.000. Das heißt, seit 14 Tagen infizieren sich über 1% der Kinder pro Woche. Während diese Zahlen Realität sind, am Tag als die Inzidenz wiederholt über 2% gestiegen war, sagen Sie, Herr Wüst, Sie würden keine Durchseuchung vorantreiben. In der Altersklasse der 5-14-Jährigen ist bereits jedes sechste Kind Corona positiv getestet worden. Die Zahl der vollständig Geimpften ist nur halb so hoch.
Wir schwingen die weiße Fahne wie die KiTas und Grundschulen.
Handeln Sie endlich. Kommunizieren Sie endlich ehrlich. Wir sind es satt!
Mit freundlichem Gruß
gez.
Daniel Dobbelstein
Vorsitzender der Rhein-Erft-SPD
Vater
Quellen:
1: https://www.lzg.nrw.de/inf_schutz/corona_meldelage/index.html (Auswahl: Alter & Geschlecht, Alle
Fälle, 7 Tage, pro 100.000 EW, 10 Jahres-Altersgruppen)
2: Beispielhaft: https://rp-online.de/nrw/staedte/duesseldorf/duesseldorf-sperrt-spielplaetze-wegen-corona-pandemie_bid-49629611
3: https://www.rki.de/DE/Content/Infekt/Impfen/ImpfungenAZ/COVID-19/Impfempfehlung-Zusfassung.html
4: https://www.medrxiv.org/content/10.1101/2021.12.30.21268495v1
5: https://cov-lineages.org/lineage.html?lineage=BA.2
6: https://experience.arcgis.com/experience/aa41b29149f24e20a4007a0c4e13db1d/page/page_0/
7: https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pmc/articles/PMC7327724/
Komplettes Versagen mit Ansage
Infektions- und Quarantänezahlen an Schulen und Kindergärten explodieren und sind nun aufgrund der völlig unzureichenden Testkapazitäten auch nicht mehr transparent nachvollziehbar. Diese sei Systemzusammenbruch mit Ansage, finden die SPD-Landtagskandidaten Halil Odabasi, (WK7), Daniel Dobbelstein (WK6) und Bernd Coumanns (WK5), die alle selbst schulpflichtige Kinder haben:
„Am Dienstag wurden die Eltern informiert, dass bei positiven Pooltests keine Einzelauswertung mehr vorgenommen wird. Erst letzte Woche haben wir darauf hingewiesen, dass für eine PCR-Teststrategie seitens der Landesregierung auch ausreichende Testkapazitäten vorgehalten werden müssten. Darum hat sich die Landesregierung offensichtlich nicht gekümmert. Damit hat sich Ministerin Gebauers „sicheres Konzept“ bereits nach zwei Wochen Praxis komplett erledigt.
Ab sofort muss nach positiven Pooltests versucht werden, mit Schnelltests die infizierten Kinder zu identifizieren und diese dann noch in der Schule auszusondern. Dies dürfte zu vielen unangenehmen Situationen gerade für junge Kinder führen. Es ist klar, dass hier sehr viele infizierte Kinder nicht erkannt werden. Damit werden Schulen, wie leider auch die Kindergärten, weiter der Motor des Pandemie-geschehens bleiben.
Wenn es der Landesregierung nicht kurzfristig gelingt, ausreichen Testkapazitäten zu organisieren, muss sie sofort klären, wie es an den Schulen weitergehen soll. Bei Inzidenzen weit über 1000 in den entsprechenden Altersklassen ist „Augen zu und durch“ als einzige Devise eine erneute Bankrotterklärung. Dringend klargestellt werden muss auch, wie es mit Prüfungen und Versetzung in dieser Ausnahmesituation aussieht.“
Die Sozialdemokraten betonen, dass diese Entwicklung absehbar gewesen ist. Nach zwei Jahren Pandemie präsentiere sich das Tandem Wüst und Gebauer weiter amateurhaft.
„Anstatt sich um ausreichende Testkapazitäten zu kümmern, versucht die Landesregierung mit Hinweisen auf den Bund und die Kultusministerkonferenz abzulenken. Verantwortung für die Zustände und das Chaos bei der Teststrategie in den Bildungseinrichtungen Nordrhein-Westfalens tragen aber Ministerpräsiden Wüst und Ministerin Gebauer.
In zwei Jahren Pandemie hat diese Landesregierung es nicht geschafft, auch nur die kleinste Anpassung im Sinne der Schülerinnen und Schüler und der Beschäftigten umzusetzen. Die einzige neue „Maßnahme“ war, nun weniger sensible Selbsttests für die weiterführenden Schulen zu verwenden. Damit sollen nun auch Grundschüler*innen aus positiven Pools zu Schulbeginn getestet werden. Das ist absurd.
Nun rächt sich, dass seit anderthalb Jahren alle Vorschläge für angepasste Lernkonzepte, die auch seitens der SPD-Landtagsfraktion reichlich gemacht wurden, ignoriert worden sind. Ohne Luftfilter, dafür aber mit immer noch überwiegend unzureichenden Konzepten um teilweise qualitativ gutes Lernen auf Distanz zu ermöglichen, müssen Schülerinnen und Schüler nun schauen, wie sie bei unangepasster Prüfungsdichte irgendwie durchkommen. Hier fehlt es grundsätzlich an Verständnis für die Schülerinnen und Schüler.“